Paradoxon der Liebe Liebe Doris, Liebe...?
Ja: Liebe, denn es muss wohl Liebe sein, dieses starke
ruhige Gefühl, dass ich in mir spüre, wenn ich an Dich
denke. Seltsam, Ruhe will nicht recht passen zu dem
Leben, das wir führten. Aber was bleibt mir jetzt noch
anderes übrig als ruhig zu bleiben und ein paar
Erinnerungen? Erinnerungen an Dich, Mädchen. Ja, ich
weiß, Du magst nicht so genannt werden, aber was warst
Du damals anderes, als wir uns kennen lernten? Damals,
in diesem verräucherten Keller am Spielbudenplatz, da
traf ich ein Mädchen: Zu blass, zu schmal, zu scheu um
wirklich erwachsen zu sein, die zu große, zu schwere
Lederjacke lag wie ein Panzer um Deine Schultern, als
wolltest Du Dich schützen vor der bösen Welt. Immerhin,
es sind angenehme Erinnerungen, die mir bleiben, trotz
alledem und immer noch. Erinnerungen an die kleinen
Spiele, die wir spielten, Erinnerungen an Deine
Erziehung. Ja, tatsächlich, ich habe Dich erzogen, wir
haben Herr und Sklavin gespielt und alle Klischees des
alten Erziehungsrituals erfüllt. Du warst ja auch ein so
dankbares Objekt für dieses Spiel: Als wir uns kennen
lernten, da warst Du wahrscheinlich der einzige Mensch
im Molotow, der die Spielregeln nicht kannte. Du hattest
"Die Geschichte der O" nicht gelesen und keinen der
zahllosen Pornos, die das Verfahren regeln. Du wusstest
nicht, dass die Sklavin den Blick demutsvoll zu senken
hat und sich für Schläge umgehend bedankt. Du hattest
noch nicht gehört, dass die Sklavin nicht unaufgefordert
redet, dass Sklavinnen für gewöhnlich keine Höschen
tragen und die Auswahl ihrer Kleidung ihrem alles
überragenden Herrn und Meister überlassen. Aber Du hast
schnell gelernt. Du hast ein reiches Feld gefunden für
kleine Sünden und gezielte Provokationen, für wohl
überlegte Vergesslichkeiten und sorgfältig geplante
Fehler. So haben wir das Spiel gespielt: Mit Stock und
Gerte, mit Peitsche und mit Klammern, mit allem, was die
Spielzeugkiste hergibt. Ich hatte bald herausgefunden,
was Du nicht magst, ich habe Tabus gesucht, um sie zu
brechen. Natürlich war irgendwann von Grenzen die Rede,
natürlich wollte ich diese Grenzen überschreiten.
Natürlich habe ich Dich in den Arm genommen, habe Dich
getröstet und gehalten, wenn Du an dem Punkt angelangt
warst, den ich damals für Deine Grenze hielt. Damals,
denn heute weiß ich, was Grenzen bedeuten. Der letzte
Punkt hinter der letzten Grenze: Ich bin da angekommen.
Nun, ich will nicht jammern, aber Du verstehst, dass es
mir nicht leicht fällt hier zu sein, nicht wahr? Wie
hast Du es geschafft, mich hierher zu bringen? Ich hatte
angefangen, Dir mehr beizubringen als die Regeln des
SM-Rituals. Ich tauschte die labberigen T-Shirts, die
zerfledderten Jeans, die selbst bemalten löchrigen
Turnschuhe aus. Ich habe für Ordnung in Deinen einst
struppigen Haaren gesorgt und sogar die notorische
Blässe aus Deinem Gesicht vertrieben. Ich machte aus dem
Punk eine dezent in Jeans, Spitzentop und Blazer
gekleidete junge Frau. Schließlich bist Du geworden, was
Du heute bist. Durch mich, durch meinen Rat wurdest Du
schöner und bliebst wild. Du dientest, um mir zu
gefallen und behieltest genug Freiheit, um mich zu
reizen. Aber ich habe Dich nicht wirklich verändert.
Hinter der Fassade aus dem Sommerschlussverkauf bist Du
stets geblieben, was Du schon immer warst: Zu wild, zu
stark, zu fremd. Deshalb wurdest Du perfekt. Das
perfekte Bild einer Frau, wie von mir erträumt. Du
wurdest der perfekte Köder in einer perfekten Falle. Und
sie ist perfekt, diese Falle: Dicke Mauern und dicke
Gitter. Wen sie hier haben, den lassen sie nicht wieder
raus. Immerhin, seit ich in den Westflügel umgezogen
bin, ist es etwas ruhiger, ruhig genug sogar zum
Schreiben und zum Nachdenken. Nachdenken... das hätte
ich vielleicht damals tun sollen, damals als wir uns
kennen lernten, als ich es noch konnte. Ich hätte ahnen
müssen, dass ein kaufmännischer Angestellter und ein
Monster nicht zusammenpassen. Als ich anfing, mich mit
Dir über Grenzen zu unterhalten, da hätte ich wissen
sollen, dass du andere Grenzen meintest als ich. Als ich
von Veränderung sprach, habe ich nicht erkannt, wer wen
verändern würde. Als ich das Wort Erziehung benutzte,
als ich davon sprach, es sei mir Ernst mit dem was ich
mit Dir plante, da ahnte ich nicht, welchen Ernst du
meintest. Auch Du meintest, wir sollten Ernst machen.
Todernst. Heute lache ich über die Ängste, die ich
einmal hatte. Ich lache darüber, dass ich Rücksicht nahm
auf die Nachbarn und auf die Kollegen, dass ich glaubte,
ich bräuchte einen festen Arbeitsplatz und ein
geregeltes Einkommen. Sicherlich, es ist kein sehr
fröhliches Lachen. Eben das Lachen eines Mannes, der
Handschellen trägt. Ich kann mich nicht genau daran
erinnern, wann es begann. Ich weiß noch, dass ich nicht
genug von Dir bekommen konnte. Die Tage waren zu kurz
für uns, also nahmen wir die Nächte dazu, Du wusstest,
wo die nötigen Pillen zu bekommen sind. Eine verfickte
Nacht und ich kam zu spät zur Arbeit. Ein durchvögeltes
Wochenende und ich ging gar nicht erst hin. Ich hatte
einen Arzt gefunden, der Urlaubscheine ausstellte. Ich
erinnere mich noch an eine viel zu warme Sommernacht, es
wäre unpassend gewesen, die Fenster zu schließen. Du
hattest Dir alle Mühe gegeben, mich zu ärgern und zu
hänseln. Du kanntest die Regeln des Spiels gut genug, um
zu wissen, wie Du mich reizen konntest. Du hattest ein
wenig gestöhnt, hattest dich gewunden mit hoch über den
Kopf gefesselten Händen, du warst zusammengezuckt und
hattest die Luft scharf durch die Zähne gezogen, nur um
Augenblicke später irgendeinen dummen Spruch zu machen.
Es war ein plötzlicher Einfall, so logisch und
unausweichlich, dass ich nicht darüber nachdachte.
"Heute schreist Du," stellte ich sachlich fest und nahm
die Hundepeitsche. Du hast geschrieen. Alle Nachbarn
sind meine Zeugen. Keine Rücksicht auf die Nachbarn,
keine auf die gleitende Arbeitszeit. Rücksicht auf Dich,
das war mir mehr als genug. Ein unerledigter
Ablagestapel auf meinem Schreibtisch - wie albern.
Nachts um drei etwas essen gehen - natürlich. Eine
vermasselte Beförderung, eine Mahnung, eine Rechnung -
belanglos. Mein Schwanz in Deiner Möse war alles was
zählt. Dich knien lassen in einer ganz normalen Kneipe:
Kitzel für mich, selbstverständlich für Dich, Verwirrung
für die Spießer. In Handschellen vorbei an gaffenden
Passanten: Warum nicht? Ich konnte mir nichts einfallen
lassen, was Du nicht sofort und konsequent befolgtest.
Du befolgtest mehr, als ich mir einfallen ließ. Wir
saßen im Halbdunkel des Wohnzimmers, wir stierten beide
vor uns hin und dachten an alles und nichts. Ich steckte
mir eine Zigarette an und bemerkte Dein erschrecktes
Zusammenzucken. Nein, ich hatte keine Absichten mit dir
und der Zigarette, aber diesen Schrecken auskosten, das
wollte ich mir nicht entgehen lassen. Also ließ ich das
Feuerzeug noch ein wenig an und setzte das Grinsen auf,
das ich für drohendes Sadistenlächeln hielt. Und Du? Du
bist aufgestanden, hast Dir wortlos eine Zigarette
angezündet, du hast sie in Deine Armbeuge gehalten, du
hast tief durchgeatmet und hast den Arm gekrümmt. Den
Unterarm auf den Bizeps und die glühende Asche
dazwischen geklemmt. Die konsequente Sklavin kennt keine
Rücksicht, nicht wahr? Als ich Dir sonntags sagte, du
würdest die ganze nächste Woche Sklavin sein, da ahnte
ich nicht, wie wörtlich Du das nehmen würdest. "Morgen
um fünf stehst du mir zur Verfügung," befahl ich. Am
nächsten Tag pünktlich um Fünf standest Du inmitten des
Großraumbüros, die Handschellen hattest du dir selbst
angelegt. Du bist vor mir und vor peinlich berührten,
deutschen Schreibtischtätern auf die Knie gefallen: "Ich
stehe zu Deiner Verfügung, Herr, wie Du es befohlen
hast." Es war mein letzter Arbeitstag in diesem
Unternehmen. Der konsequente Herr kennt kein Rücksicht,
nicht wahr? Es war überhaupt mein letzter Arbeitstag.
Wozu arbeiten, warum die Zeit vergeuden, zwischen
Spießern, die nicht weiterdenken, als bis zur nächsten
Hypothekenrate? Wozu brauche ich einen Farbfernseher?
Wozu eine riesige Stereoanlage, Dein Stöhnen war mir ja
doch die liebste Musik. Als die Bank ungeduldig wurde,
habe ich das Auto verkauft. Unser Leben wurde ein
Rausch. Kein Spiel mehr, keine Erziehung, keine Rituale
und keine Regeln. Nicht die Regeln der alten
SM-Klischees und schon gar nicht die der Satten, der der
Zufriedenen, der Unwissenden, die uns umgaben. Ja, wir
haben den Spießern auf den Tisch geschissen. wir haben
auf ihren Gräbern gevögelt. Wir haben einer ganzen Reihe
von Leuten in die Suppe gespuckt. Wir hatten uns
verändert: Du trugst Blazer und Spitzentop, passend zu
meinen Seidenhemden. Ich trug den hochgereckten
Mittelfinger vor mir her, passend zu Deinem Wesen. Der
alte Schreihals in der Wohnung über unserer brüllte uns
nach: "Tiere! Ihr seid tollwütige Tiere!" So unrecht
hatte er gar nicht. Weißt du, was man mit tollwütigen
Tieren macht? Man bringt sie um. Wir lebten den
Wahnsinn. Wenn das Geld alle war, kanntest du jemanden,
dem ein paar Sachen vom Lkw gefallen waren, die jetzt
einen Käufer suchten. Oder ein paar Leute die aus
versicherungstechnischen Gründen einen kleinen
Blechschaden an zwei alten Rostlauben inszenierten
mussten. Nicht denken. Durch die Welt rasen. Nicht links
und rechts gucken, nicht nachdenken. Denn ich hatte den
Wahn in Dir erkannt. Es war in Mannheim, ich hatte Dir
schon von diesem legendären Keller erzählt. Von den
beiden dicken rostigen Ketten, die in einem der hinteren
Räume von der Decke baumeln. Meine Lieblingsketten. Ich
hatte dich festgemacht, die Peitsche hielt ich schon in
der Hand. Wir warteten noch, bis das Pärchen neben uns
fertig war. Die Dame vertrimmte ihre Begleitung nach
allen Regeln der Kunst. Sie schrie :" Da! Da!" und er
schluchzte "Gnade, Herrin. Ich liebe Dich, Herrin." So
wie es sich gehört. So wie wir es auch einmal getrieben
hatten. Als uns das ganze Brimborium noch wichtig war.
Als wir das ganze Ritual noch nicht einfach nur albern
fanden. Ich spürte in diesem Moment: Das ist nicht, was
wir wollen. Auch diese Grenze hatten wir überschritten.
Also hängte ich die Peitsche wieder an den Gürtel und
holte das Springmesser aus der Tasche. Nur für einen
Wimpernschlag flackerte Angst in Deinen Augen, dann fand
ich in Deinem Blick wortlose Zustimmung. Ich ließ die
Klinge langsam über Deinen nackten Leib gleiten, ich
streichelte Dich sanft mit spitzem kalten Stahl. Dann
hatte ich die richtige Stelle gefunden. Ein Schnitt,
nicht lang und nicht tief. Blut quoll hervor und rann
über deine Brust, Deinen Bauch, Deine Scham. Ich warf
meine Jacke in den Staub des Kellers und nahm Dich in
die Arme. Ich presste meinen Mund auf die Wunde und dann
standen wir uns gegenüber. Kleine rote Tropfen fielen zu
Boden, und als ich Dich mit blutverschmiertem Mund
küsste, vermischten sich Schweiß und Blut. Da wurden wir
eins. Denn da habe ich in Deine Augen gesehen. Alle
Scheu und alle Verschlossenheit waren verschwunden. Ich
sah zum ersten Mal in Dein innerstes Wesen und ich sah
die Angst ganz tief in Dir. Nicht die Angst vor dem
Messer, nicht die vor Schmerzen. Ich sah furchtbare,
panische Angst. Lebensangst, existentielle Furcht. Wer
hatte Dich so zugerichtet, was hatte deine Seele so
grausam verletzt? Wir haben nie darüber geredet, welcher
Schrecken sich hinter Deinen Augen verbarg; Dir fehlte
der Wille darüber zu reden, mir fehlten die Worte. Aber
ich suchte mir Mosaiksteinchen aus dem Wenigen, was Du
über Dein Leben erzähltest. Ein Vater, der selten da
war, eine Mutter, die soff. Der Winter, als Du in
Großvaters Schrebergarten gelebt hast. Oder besser
gehaust, denn wie kann man leben von ein paar Euro, die
Opa zuschießt und dem bisschen, was eine Vierzehnjährige
nach der Schule verdient. Du hast von Lehrern erzählt,
denen der Notendurchschnitt ihrer Klasse wichtiger war
als die Sorgen einer einzelnen. Hast erzählt von einer
Jugendwohnung, in der du einen Sozialpädagogen hattest,
der sich um Dich kümmerte, genau 37.5 Stunden die Woche.
Dafür hast Du gelernt, wie man Autos knackt. Du hast mir
von dem Gefängnis Deiner Jugend erzählt und ich
beschloss, Dich aus diesem Knast zu befreien. Es war
meine Idee, Du hast den Job aufgerissen. Ich kannte die
Firma noch von früher, ich hatte ja lange genug im
Großraumbüro der Spedition gearbeitet und wusste, wie
die Alarmanlage auszutricksen ist. Ein paar Wochen
später saßen wir im Flieger nach Bangkok. Durch die
Stadt bummeln, Hitze und Gestank ignorieren. Curries
essen, Lycheesaft trinken und Singha Bier, Rambutan
naschen und lauter neue Sachen sehen. Im Lumpini Park
den alten Chinesen beim Tai Chi zusehen und im Wat Phra
Keo lernen wie man für den Smaragdbuddha Räucherstäbchen
aufstellt. Aber auch spät nachts im Malaysia Inn sitzen,
zwischen dem besoffenen Abschaum der
Rucksackinternationale, mit den berühmt-berüchtigten
Huren der Stadt mühsam die korrekte Aussprache unserer
paar Brocken Thai verbessern. Wir gingen in den
Coffeeshop im Grace Hotel. Ich wollte Dir nur ein
abschreckendes Beispiel geben, das Grace ist das
schlimmste Rattenloch in der ganzen Stadt. Araber, die
zu Hause nicht trinken dürfen, und die nicht gelernt
haben, mit Frauen umzugehen, besaufen sich, bevor sie
auf die zwei- oder dreihundert Thailänderinnen losgehen,
die hier versuchen, ihr Geld zu verdienen. Im Grace wird
Sex nach den Regeln des russischen Roulettes verkauft.
Ich hätte wissen müssen, dass Dich dieser Ort
interessiert. Ein paar Europäer und einige Amis zwischen
Hunderten arabischer Gäste. Chinesische, vietnamesische,
malaiische, thailändische, burmesische Frauen. Die
einzige Weiße warst Du, entsprechend begafft. Ich konnte
nicht widerstehen, ich bin nun einmal zu eitel, um auf
den Glanz eines solchen Auftritts zu verzichten. Also
winkte ich und du knietest vor mir. Hingegossen in einer
wundervollen fließenden Geste anmutiger Schönheit.
Einigen Gaffern hat es den Atem verschlagen. Einer hat
verstanden. Yussuf schickte einen Kellner, seine Karte
und eine Flasche Scotch. Eine ganze Flasche Scotch ist
auch in Bangkok nicht billig. Ich sah mich nach dem
Spender um, er prostete mir zu. Bald saß er an unserem
Tisch. Ein großer grobschlächtiger Mann, dicke Finger,
wulstige Lippen, eine Riesennase. Er war ziemlich
hässlich und auf den ersten Blick alles andere als
sympathisch. Aber sein Englisch war besser, als sonst in
diesem Laden üblich, sein Benehmen war sogar sehr viel
besser. Yussuf redete nicht allzu lange um den heißen
Brei. Er wäre gern einmal dabei, bei Deiner Erziehung.
In seinem Zimmer stände alles zur Verfügung und für
eventuelle Unkosten würde er aufkommen. Dabei schob er
mir ein paar Stück Papier zu, ich wusste nicht wie viel,
aber es stand Dollar drauf. Wir begleiteten Yussuf in
den elften Stock, in eines der besseren Zimmer des
Grace. Yussuf kam auf seine Kosten. Er hatte ein paar
Gerten, Handschellen und einen Haufen Kanülen, sauber
verpackt. An den Pfosten des Bettes fand ich Platz um
Dich zu binden. Dann nahm ich einige Nadeln und der alte
Kitzel war wieder da: Du wurdest unsicher, hattest Angst
und signalisiertest dann doch Einverständnis. Eine Nadel
nach der anderen stach ich in Deine Haut, bis Dein Blick
brach und ich Dich losband. Als ich Dich vorsichtig auf
den Arm nahm und ins Bad trug, hing Yussuf mit geilem
Blick in den Armen einer jungen Frau, die nichts
verstanden hatte, außer dem exorbitanten Lohn, den der
Araber gezahlt hatte. Yussuf blieb uns erhalten, als
Einnahmequelle, als Führer durch einige wirklich gute
arabische Restaurants. Irgendwann wurde er sogar etwas
mehr, er wurde uns sympathisch. Ich kann den Islam nicht
ausstehen, aber ich rechne es Yussuf hoch an, dass er
sich an die Gebote seiner Religion hielt und keinen
Alkohol trank. Unser Umgang wurde vertrauter und er
wurde großzügiger. Nicht, dass er uns mehr Geld geboten
hätte, er bot uns an, uns aus der selben Verdienstquelle
zu bedienen wie er. Er kannte einen Lieferanten, der
konnte seltene Ware in guter Qualität liefern. Ich hätte
weit bessere Chancen als er, einen Abnehmer in der
deutschen Kolonie zu finden. Der Gewinn würde
ausreichen, um hier zu bleiben. Wir haben lange
überlegt, aber schließlich war das unsere Chance. Früher
einmal hätte zumindest ich "Nein" gesagt, aber Dir ein
Leben bieten, irgendwo in einem Bungalow am Strand, ohne
all das, was dich an die Schrecken Deiner Jugend
erinnert, war es das nicht wert? Wir stimmten zu, dass
Risiko war ja auch minimal. In Pattaya fanden wir unter
den deutschen Zuhältern die richtigen Abnehmer. Im
Norden fanden wir den Lieferanten. Wir stellten nur den
Kontakt her, wir würden den ganzen Deal aus sicherer
Entfernung überwachen. Was sollte passieren? Es ist
passiert. Frag mich nicht wie, es ist egal. Vielleicht
hatten wir einfach unseren Vorrat an Freiheit
aufgebraucht. Man kann dem Schicksal nicht entgehen,
sagen sie hier. Man kann nicht immer auf des Messers
Schneide tanzen, ohne herunter zufallen. Oder ohne sich
zu schneiden. Es hatte uns beide erwischt und wir
wussten, was der Preis war. Drei Kilo Heroin sind eine
ganze Menge und nicht alle Polizisten in Asien sind
bestechlich. Warum sollten wir beide bezahlen? Vor
Gericht sahen wir uns wieder, ich sah in Deine Augen,
ich sah die Wunde in Dir. Ich hatte Dich hierher
gebracht, weil Du nie wieder leiden solltest. Weil ich
diesen Schmerz von Dir fernhalten wollte. Ja, auch
diesen. Sadisten neigen zur Selbstüberschätzung und der
konsequente Herr kennt keine Rücksicht, oder? Also habe
ich die Schuld auf mich genommen. Es reicht ja, wenn es
mich erwischt, habe ich gedacht und mich verurteilen
lassen. Ich hatte gedacht, ich könnte den Dreck
ertragen, die Ratten, die gierigen Blicke der
Knastschwulen. Ich konnte es nicht, ich war am Ende
sogar froh, in diesen Teil des Gefängnisses umzuziehen.
Immerhin erfüllt sich eine Hoffnung: Ich werde nicht an
der Malaria krepieren und nicht an Typhus. Wir haben im
Rausch gelebt, es konnte nicht immer so weitergehen.
Vielleicht haben Dir diese Monate geholfen, vielleicht
hast Du einiges von dem verstanden, was ich Dir mit
Worten nicht sagen konnte: Egal was geschieht, Du bist
es wert. Egal was nötig ist, für Dich wird es getan. Bis
zum Ende und immer konsequent. Also werde ich nicht
weinen und nicht schreien, wenn sie mich holen und zu
dem kleinen Anbau bringen, in dem der Galgen steht. Denn
ich bin meiner Sklavin gehorsamer Diener. |
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