Mein Miststück Fast teilnahmslos steht
er an der Bar. Du hast ihn längst bemerkt. Zwar
versuchst Du es zu verbergen, aber ihm machst Du nichts
vor. Es ist faszinierend, Dir zuzusehen. Du scheinst die
Verheißung in Person. Jede Bewegung Deines Körpers ist
gekonnt inszeniert. Du beherrschst ihn ebenso, wie Du
den Blick Deiner großen grünen Augen kunstvoll in Szene
setzt. Du bist das Licht und die Männer um Dich herum
sind die Fliegen. Sie wissen genau, kommen sie Dir zu
nahe, verbrennen sie. Doch die Verheißung ist zu groß,
um Fern zu bleiben. Ihre Blicke folgen Dir, wohin Du
auch gehst. Sie kommen Dir auffällig unauffällig nahe,
versuchen Dich aus Versehen flüchtig zu berühren, Dir
auf der Tanzfläche zu begegnen. Sie hoffen, ja betteln
fast um Deine Gunst und sei es nur ein gnädiger Blick
aus Deinen Augen. Wären sie Hunde, sie würden dir
schwanzwedelnd die Füße lecken und winselnd um ein
herablassendes Streicheln bitten. Du bist da, so nahe
und doch unerreichbar. Du spielst das Spiel, das du
beherrschst, das Du liebst. Es macht Dir Spaß, sie
betteln zu lassen. Es befriedigt Dich, wie sie sich
freiwillig erniedrigen, um Dir zu gefallen, wohl
wissend, dass sie Dich nicht bekommen, keiner von Ihnen.
Doch tief in Dir weißt Du, dass auch Du suchst. Wann
kommt er endlich? Der, der Dich erkennt, der von Deiner
Sehnsucht weiß, der in Deinen Augen richtig lesen kann,
für den Du ein offenes Buch darstellst? Einige Male
dachtest Du, er hätte Dich gefunden. Doch als es ernst
wurde, lag er doch wieder vor Dir und bettelte. Und Du,
die Du eben noch zu Ihm aufgeblickt hattest, musstest
Dich plötzlich beherrschen, um nicht zu lachen. Es ist
heute Nacht wieder wie immer. Keiner ist da, der es
wagt, Dich zu nehmen. Keiner, der Dein eigentliches
Wesen erkennt, Deine Sehnsucht nach Stärke, nach
Beherrschung und nach Geborgenheit. Keiner ist da, dem
Du Dich freiwillig unterwerfen willst, dem Du Dich
ausliefern willst, zwar angsterfüllt, aber doch
unendlich zufrieden. Wirklich keiner? Der arrogante Typ
an der Bar mit seinen graublauen Augen, der könnte es
sein. Doch sein Blick weilt in unendlicher Ferne und
bemerkt Dich nicht einmal. Aber Du wirst keine billige
Kopie Deiner Verehrer werden und ihn umschwirren. Nein!
Ganz sicher nicht! Stunden später bist Du am Gehen. Du
hast Dich wieder Mal amüsiert in dieser Nacht. Amüsiert
über die Hunde und Speichellecker. Es war ein billiges
Amüsement. Innerlich bist Du erfüllt von einer großen
Leere, überzeugt von der Sinnlosigkeit Deines Tuns.
Nachher wirst Du wieder allein in Deinem Bett liegen.
Aber besser allein, als mit einem gefügigen Hündchen,
denkst Du. Da ist er wieder. Dein Herz schlägt bis zum
Hals. Teilnahmslos steht er gelassen im Freien. Nur
seine Augen. Erst jetzt siehst Du, wie hart, aber auch
wie wissend, wie zärtlich sie sind. Sein Blick trifft
Dich und Dir werden die Knie weich. Du willst Dich an
Ihm vorüberschleichen, doch er macht nur einen Schritt
und sagt mit leiser Stimme: "Komm mit!" Und Du gehst
mit, weißt nicht wie Dir geschieht. Willenlos folgst Du
ihm. Sehr viel später, inzwischen hat er Dich geliebt,
hemmungslos und wild, ohne zu Fragen. Du liegst in
seinen Armen und weinst. Dein Herz, das Du so lange
verschlossen hattest, ist geöffnet von ihm für ihn.
Lange weinst Du, er hält Dich fest, wissend, warum Du
weinst. Wie gut das tut, endlich frei zu sein. Frei von
Verantwortung, frei von gekonnt gespielter Stärke, frei,
Dich ganz fallen zu lassen. Wie gut das tut, seine
Stärke zu spüren, seine Sicherheit, seine Strenge und
seine Güte. Die vergangenen Jahre strömen aus Dir
heraus. Ein Schluchzen und Zittern lässt Deinen Körper
wieder und wieder erbeben. Irgendwann wirst Du ruhiger.
Es dämmert bereits. Mit einem Schlag setzt das Konzert
der Vögel ein, die den kommenden Tag ahnen. Er hält Dich
fest, küsst Deine Tränen und sagt nur zärtlich: "Mein
Miststück!" |
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