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Heisse Sommernacht
Wer kennt sie nicht, diese Nächte, in
denen man keinen Schlaf findet, sich trotz grösster
Müdigkeit stundenlang in den Kissen wälzt, getrieben von
einer launischen inneren Unruhe. Jene Nächte, in denen
man schließlich, die quälend heiß am verschwitzten Leib
klebenden Decken von sich wirft, um genervt aufzustehen
und nach irgendeiner Ablenkung zu suchen. Mag sein, dass
ich an diesem schwül-heißen Augustabend auch nur zu früh
ins Bett gegangen bin. Aber ich fühlte mich schon den
ganzen Tag so matt und ausgelaugt und sehnte mich nur
nach Schlaf. Dieser Verräter ließ mich nun allerdings
schmählich im Stich.
Barfuß lief ich über die kalten Fliesen der Küche zum
Kühlschrank, öffnete durstig die Tür und sah in ein
gähnend leeres Getränkefach. Ein nicht gerade sehr
damenhafter Fluch prallte an der frostigen
Gleichgültigkeit meines Kühlschrankes ab. Ich hatte also
die Wahl zwischen lauem, kalkigem Leitungswasser, der
Lektüre eines nicht sehr mitreißenden Polit-Krimis
oder....
Es war Freitagabend. Die Zeiger der schwarz gerahmten,
runden Plastikuhr an der Wand rückten unweigerlich auf
Mitternacht zu. Rasch ins Badezimmer. Ein Blick in den
sehr ungnädigen Spiegel, zeigte eine weibliche Person
undefinierbaren Alters, mit gerunzelter Stirn, feucht an
den Schläfen klebenden blonden Haaren und einer
gerümpften Nase, ob dieses furchtbaren Anblicks.
Eine knappe Viertelstunde später, frisch geduscht, mit
duftigen, weich fallenden Locken und merklich sich
bessernder Laune, sah die Sache dann doch gleich
wesentlich besser aus. Ein Hauch Make-up, dazu mein
dunkelroter Lieblingslippenstift und mein Spiegelbild
begann mich versöhnlich, mit blitzenden Augen,
anzulächeln.
Ich wählte ein leichtes, kurzes Kleid, schwarz, mit
kleinen roten Blüten bedruckt und schmalen Trägern. Dazu
die Sandalen mit den nicht ganz so hohen Absätzen und
den Lederriemchen, die über dem Knöchel gebunden wurden.
Es hat Vor- und Nachteile, im Zentrum einer Großstadt zu
wohnen. In diesem Falle war es ein enormer Vorteil. Ein
paar Schritte und ich war auch schon in der
Fußgängerzone mit den italienischen Eisdielen, den
zahllosen Cafes, Bars und allem, was das Herz einer nach
Zerstreuung suchenden Nachtschwärmerin begehren konnte.
Trotz der späten Stunde saßen in den Straßencafes
zahlreiche Menschen gemütlich beisammen, umhüllt von der
sanften Hitze der Sommernacht, tranken, lachten und
beobachteten die Passanten. Ich entschied mich für ein
Lokal mit bequemen Rattansesseln und kleinen runden
Tischen, auf denen sanftes Licht spendende Öllämpchen
flackerten. Ich bestellte ein Glas Mineralwasser und
einen Latte Macchiato, lehnte mich in meinem Sessel
zurück und schlug entspannt die Beine übereinander.
Mein Blick schweifte über die anderen Gäste, zumeist
Pärchen und kleinere Gruppen. Nur an einem Tisch saß
eine einzelne Person. Sie war recht hübsch, schlank, mit
langen, glatten, dunklen Haaren. Sie mochte ein paar
Jahre älter sein als ich, schätzungsweise Anfang
dreißig. Der schwarze Hosenanzug stand ihr
ausgezeichnet. Die oberen Knöpfe ihres Jacketts waren
geöffnet und ich sah, dass sie nichts darunter trug.
Noch nicht einmal einen BH. Wie liderlich, wie mutig.
Ich musste unwillkürlich über meine widersprüchlichen
Gedanken schmunzeln.
Als hätte sie meine Blicke gespürt, sah sie in diesem
Moment auf, sah mir direkt in die Augen und mit einem
leisen, sympathischen Lächeln öffneten sich ihre Lippen.
Ich erwiderte dieses Lächeln, mehr aus dem Gefühl
verlegener Ertapptheit heraus, denn aus Überzeugung.
Normalerweise tendierte ich doch eher dazu, mit Männern
zu flirten. Und trotzdem spürte ich in diesem Moment,
wie mein Blut schneller durch meine Adern pulste und ich
in eine eigenartige Erregung verfiel. Verwirrt über
diese Reaktion, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf
den Türsteher der benachbarten Diskothek - einen
breitschultrigen Riesen mit klischeegemäss kahlrasiertem
Bullenschädel.
"Hi! Darf ich mich zu dir setzen?" Sie hielt ihr Glas
mit dem Rotwein schon in der Hand, hatte wohl nicht mit
einer Ablehnung gerechnet. Die Rundung ihres Busens
lugte aus dem aufklaffenden Jackett, als sie sich setzte
und ich konnte für den Bruchteil einer Sekunde eine
dunkle Brustwarze schimmern sehen. "Du hast doch nichts
dagegen?" Endlich fand ich meine Sprache wieder,
murmelte etwas ähnliches wie:"Bitte schön." Und fügte
dann noch, eingedenk meiner guten Erziehung hinzu:"Schön
dich kennenzulernen. Ich heiße Nicole."
"Ein hübscher Name, er passt gut zu dir! Ich bin
Christina!" Wieder ihr Lächeln, welches sich über ihr
Gesicht ausbreitete und ihre Augen erfasste. Diese Augen
waren von einem warmen, dunklen braun.
Es ist nicht so, dass ich besonders leicht zu verführen
wäre. One-night-stands waren getestet und für nicht
erstrebenswert befunden worden. Sex ohne tiefer gehende
Gefühle, verschaffte mir selten eine körperliche
Befriedigung und meistens eine schwer zu erklärende
innere Leere. Jedoch – ich muss gestehen, dass
gleichzeitig auch eine nicht zu unterschätzende sexuelle
Neugierde in mir wohnt, die gelegentlich ungezügelt
durchbricht.
So ließ ich mich denn auf das alte Spiel ein. Wenn es
auch ungewohnt für mich war, es mit einer Frau zu
spielen, so hatte doch gerade das, auch einen ganz
besonderen Reiz. Wir plauderten über dies und jenes,
verstanden uns ausgesprochen gut, lachten viel,
versenkten unsere Blicke ineinander und kamen uns durch
zarte, wie zufällige Berührungen vorsichtig näher. Ich
begann mich leicht nervös zu fragen, wie es sich wohl
anfühlen würde sie zu küssen.
Eine knappe Stunde später wälzte ich mich denn auch
nackt und schwitzend, Haut an Haut, mit Christina in
meinem Bett. Meine anfängliche Unsicherheit, wie ich mit
einem weiblichen Körper umzugehen hätte, verlor sich
rasch. Ihre Empfindsamkeit war meiner sehr ähnlich und
ich berührte sie in der Art, wie ich selbst es auch
mochte. Ich fühlte die Hitze ihres Körper, ihrer
Begierden. Spürte ihren Mund auf meinem, ihre spielende
Zunge, ihre Hände, die sanft und wissend über meinen
Leib glitten und mich langsam und sicher in einen
lustvollen Wahnsinn trieben. Als wir zufrieden und
erschöpft einschliefen, lugte schon die Sonne durch die
Spalten der Jalousien.
Christina war zwar verheiratet, aber sie führte eine
offene Beziehung und ihr Mann wusste von ihrer Passion
für Frauen. Wir verbrachten in den nächsten Monaten so
viel Zeit wie möglich miteinander. Sie wurde mir nicht
nur Geliebte, sondern auch Freundin. Die Affäre ging
vorüber, aber die Freundschaft blieb und an manch lauem
Sommerabend sitzen wir in "unserem" Straßencafe und
malen von neuem die Bilder dieser ersten Nacht.
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